Drei Folgen “Drag Race Germany” liegen nun schon hinter uns. Zeit genug, um eine kurze Zwischenbilanz zu ziehen und festzustellen: Die deutsche Version von “RuPaul’s Drag Race” wurde bisher enorm gut angenommen, sowohl vom deutschen, als auch vom internationalen Publikum. Mit Folge 4 befinden wir uns jetzt an einem kritischen Punkt für die erste Staffel des deutschen Ablegers: Kann die Reality-Show das Momentum aufrechterhalten, das es bisher aufgebaut hat? Eine überraschende Entscheidung hat durchaus das Potenzial, die Sendung aus der Bahn zu werfen.
Bevor es mit unserem Recap von Folge 4 losgeht, lassen wir noch einmal kurz die dritte Folge von “Drag Race Germany” Revue passieren: Letzte Woche stand die Rusical-Challenge auf dem Programm. Die Drag Queens spielten Ermittlerinnen, Verdächtige und Opfer in “Dragort: Das Krimi Rusical”. Metamorkid schnappte sich als Kommissarin den Gewinn. Tessa Testicle und The Only Naomy mussten im Lipsync for Your Life gegeneinander antreten. Verabschieden mussten wir uns am Ende schweren Herzens von Naomy.
Die Bücherei ist geöffnet, Liebchen: Die Queens bestehen eine ikonische Mini Challenge
Auch die neun verbleibenden Drag Queens verarbeiten zu Beginn von Folge 4 den Trennungsschmerz von Naomy. Einen letzten Wig Snatch zu Ehren der Kölner Queen vollziehen die Teilnehmerinnen gemeinsam. Währenddessen wischt die Lipsync-Überlebende Tessa Testicle Naomys Botschaft auf dem Spiegel weg. Trotz ihrer bisherigen Misserfolge betont Tessa, dass sie sich immer darauf verlassen kann, dass sie im Lipsync eine Show abliefert - ein Satz, der einen langen Schatten über den Rest der Folge wirft.
Doch schon bald bricht ein neuer Tag im Werk Room an und die Queens dürfen sich einer absolut ikonischen Mini Challenge aus “RuPaul’s Drag Race” stellen. Es ist Zeit für die Reading Challenge, in der die Queens einander liebevoll beleidigen müssen. Ganz in der Tradition der bekannten Dokumentation “Paris Is Burning” über die New Yorker Ballroom-Szene der Achtzigerjahre.
Die Queens sind sichtlich aufgeregt, schlagen sich aber im Großen und Ganzen sehr gut. Witze und Sticheleien fliegen quer durch den Werk Room. Schon bald ergeben sich dabei ein paar Muster, die mehrere Queens bedienen: Tessa wird für ihre Looks gelesen, Nikita Vegaz für so ziemlich alles von ihren Lippen bis zu ihrem Schulabschluss. Loreley Rivers bekommt gefühlt die unangenehmsten Reads ab. Gleich mehrere Queens machen Witze darüber, dass sie Loreley nicht wüssten, wer Loreley sei. Das muss weh tun, besonders für eine Queen, die diese Staffel schon einen Sieg davongetragen hat.
Ohne Frage am besten meistert Kelly Heelton die Reading Challenge. “Nikita, nie Schule, nie Ausbildung” bringt nicht nur die Queens zum Lachen, sondern wird auch direkt von Nikita für eine ganze Merchandise-Linie aufgegriffen. Währenddessen ist Kelly schon beim nächsten Witz über LéLé Cocoon angekommen: “Deine Zähne sind so weit auseinander, dass ich glaube, du kannst lächeln, blasen und singen gleichzeitig.” Kelly schnappt sich den Titel als “Best Bitch” und 1.000 Euro Preisgeld.
Wir unterbrechen für eine Werbepause: Eine Dragvertising Challenge fordert die Queens heraus
Weiter geht es mit der Maxi Challenge der Woche. Die Queens bekommen von Moderatorin Barbie Breakout die Aufgabe, 90-sekündige Werbeclips zu drehen, die eine Reihe von verrückten Produkten bewerben sollen. Ähnlich wie beim Rusical sind hier die Schauspiel-Skills der Drag Queens gefragt. Doch anders als letzte Woche müssen die Teilnehmerinnen ihr Material diesmal selber schreiben. Eine ganz schöne Herausforderung, besonders, wenn man nur anderthalb Minuten Zeit hat, um das Produkt auf den Markt zu bringen.
Zusammenarbeiten müssen die Queens in Dreierteams, zugeteilt von Reading Challenge-Gewinnerin Kelly Heelton. Diese schnappt sich Nikita Vegaz und Yvonne Nightstand, sowie das Produkt ihrer Wahl: ein Glitzer-Gebiss im funkelnden Disco-Stil. Schnell ist entschieden, welchen Weg der Werbespot einschlagen soll. Kelly, Nikita und Yvonne spielen eine Gruppe von älteren Semestern, die ihre besten Tage mit der Hilfe der Bling-Bling-Beißerchen noch einmal aufleben lassen wollen. Trotz Zeitdruck geht beim Dreh mit Barbie Breakout und Gianni Jovanovic alles glatt über die Bühne und Team Trümmer-Oma kann stolz vom Set marschieren.
Schwieriger gestaltet sich das Ganze für die zweite Gruppe, bestehend aus Loreley Rivers, Metamorkid und Victoria Shakespears. Für ihren Dragvertising-Clip haben sich die drei Queens ein Wurstwasser-Parfum geschnappt. Loreley preist das Produkt als altmodische Werbe-Moderatorin an. Metamorkid spielt die Wuschi Uschi, die Erfinderin des Parfums. Victoria gibt währenddessen ihre beste Britney Spears, die das Produkt als Celebrity Ambassador bewerben soll. Wenn das ein bisschen konfus klingt, dann nur, weil es auch so ist. Aus der wilden Mischung entspringt zwar auch viel fröhliches Chaos. Für 90 Sekunden ist die Geschichte, die die Queens sich ausgedacht haben, aber einfach viel zu viel.
Die letzte Gruppe besteht aus LéLé Cocoon, Pandora Nox und Tessa Testicle und möchte uns ein Personal Space Tent verkaufen, in dem man sich in Ruhe in der Öffentlichkeit selbst befriedigen kann. Tessa und LéLé teilen sich die Rolle der Werbe-Moderatorin, während Pandora als sexuell frustrierter Kerl größtenteils die Aufgabe hat, im durchsichtigen Zelt Körperflüssigkeiten zu produzieren und alles zu wemsen, was bei drei nicht hinter dem Greenscreen verschwunden ist. Absolut solide, wenn auch genauso dünn wie die Wand des Zeltes.
Sashay, Shantay, Mutti on the Runway: Eine chaotische Kategorie stellt die Queens politisch auf die Probe
Am Tag der Entscheidung machen sich die Queens bereit für die nächste Runway-Kategorie von “Drag Race Germany”. Auf dem Plan steht ein Thema, das wahrscheinlich nicht nur mich zum Schreien gebracht hat: Nacht der 1000 Angela Merkels. Diese Kategorie wird im Mutterschiff-Format “RuPaul’s Drag Race” sonst Diven wie Madonna oder Beyoncé gewidmet. Aber es wäre nicht “Drag Race Germany”, wenn wir die Kategorie nicht auf die Altkanzlerin unseres Vertrauens ummünzen würden.
Dass einer Politikerin ein ganzer Runway gewidmet wird, ist definitiv ungewöhnlich. Dass es auch noch eine Politikerin ist, die sich - um es milde auszudrücken - in ihrer Amtszeit nicht für queere Rechte eingesetzt hat, ist noch ungewöhnlicher. Ich muss der Show allerdings anrechnen, dass auch die Queens im Werk Room darüber durchaus diskutieren dürfen. Für das Ausmaß der Show sogar relativ ausführlich. Ob genug, das muss das Publikum für sich selbst entscheiden.
Auf dem Catwalk sehen wir, wie erwartet, viele, viele bunte Blazer und hier und da ein tief ausgeschnittenes Opernkleid. Zu den sbsoluten Highlights gehört Pandora Nox, die nicht nur den besten Angie-Walk hinlegt, sondern unter ihrem blauen Blazer auch noch einen knappen Deutschland-Bikini versteckt. Ebenso Loreley Rivers, die das ikonische Foto nachstellt, in dem Angela Merkel im Zoo von Papageien umzingelt wird. Glitzernde Vogelscheiße natürlich inklusive. Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Nikita, die Merkel als Marionette ohne Hose darstellt, und Kelly Heelton, die Lady Di mehr ähnelt als irgendjemandem im Bundeskanzler-Amt.
Auch die Judges stellen schnell fest: Die Queens, die in der Werbe-Challenge gut waren, haben auf dem Runway nicht abgeliefert. Aber die Queens mit den besten Runway-Looks konnten in der Maxi Challenge nicht überzeugen. So wird schließlich auch der Gewinn der Folge schwesterlich geteilt: Nikita wird zur Gewinnerin der Challenge gekrönt. Die Auszeichnung als außergewöhnlichste Angela Merkel geht derweil an Pandora Nox.
About Damn Time: Für welche Drag Queen schlägt nach dem Lipsync for Your Life die Stunde?
Doch wer wird diese Woche den Werk Room von “Drag Race Germany” verlassen müssen? Diese Frage steht auch bei den Queens im Raum, während sich die Judges beraten. Metamorkid vermutet, dass Tessa, Loreley, Victoria und sie selbst im Bottom sein könnten. Victoria betont, dass sie nur gute Kritiken von der Jury gute Kritiken bekommen hat. Tatsächlich wurde Victoria größtenteils dafür gelobt, was sie aus ihrer kleinen Britney-Rolle noch herausgeholt hat. Victoria hat etwas geschafft, was “RuPaul’s Drag Race” gerne sieht: Sie hat eine Kritik der Judges angenommen und sie sofort umgesetzt. Das gibt Pluspunkte, auch in der deutschen Version des Formats.
Wer aufpasst, der merkt, dass ein Name im Werk Room überhaupt nicht fällt: LéLé Cocoon. Auch die Jury ist auf dem Runway noch voller Lob für die Frankfurter Queen. Gute Kritiken gibt es sowohl für ihren Merkel-Look mit viel Dekolleté, als auch für ihre Werbe-Performance als Moderatorin. Erst als die Jury sich ohne die Queens berät, bekommt LéLé schlechtere Kritiken. Man kann es ihr also nachsehen, dass das, was als nächstes passiert, als Überraschung kommt.
Die Bottoms der Woche sind drei Queens, die durch ihr Merkel-Make-Up besonders traurig aussehen: Tessa Testicle, Loreley Rivers und LéLé Cocoon. Loreley kann sich durch ihren ausgezeichneten Merkel-Meme-Look retten. Tessa und LéLé müssen in den Lipsync zu Lizzos “About Damn Time”. Hier kann man schon mal die Taschenrechner zücken: Es ist bereits Tessas dritter Lipsync innerhalb von vier Folgen. Das ist Mathematik, die die wenigsten “Drag Race” Queens überleben.
Umso überraschender, dass Moderatorin Barbie Breakout nach einem relativ ereignislosen Lipsync folgendes Ergebnis verkündet: Tessa Testicle überlebt ihren dritten Lipsync. LéLé Cocoon muss ihre Koffer packen und “Drag Race Germany” als dritte Queen verlassen. Bei aller Liebe für Tessa ist das ein Schock, der erstmal verarbeitet werden muss. Nicht nur von LéLé selbst, sondern sicherlich auch vom Publikum.
Vielleicht hilft der Teaser für die nächste Woche: In Folge 5 steht eine Improvisations-Challenge auf dem Programm. Die Queens müssen vor Richterin Barbie Salesch ihre Unschuld beweisen. Bis dahin bin ich gespannt, wie die “Drag Race Germany”-Fans auf die Eliminierung dieser Woche reagieren.
Der krönende Abschluss: Ein paar letzte Gedanken zu “Drag Race Germany” Folge 4
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Unser Guest Judge der Woche ist Denis We. Er ist Choreograf und, wie Barbie Breakout es beschreibt, “Sexy Typ” von Beruf. Arbeiten durfte er, genauso wie Konstantinos the Stylist, bereits für Helene Fischer. Frage mich, ob sonst noch jemand aus Helenes Team im Judging Panel vorbeischaut. Ich halte die Äuglein offen.
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Die Queens sind erst noch ziemlich verwirrt von Barbie Breakouts Videobotschaft vor der Main Challenge. Doch des Rätsels Lösung ist zugleich die Antwort auf die Frage, was ich mit meinem Uni-Abschluss beruflich machen kann: “Marketing?”
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Unterschätzter Werk Room-Moment der Woche. Kelly: “Aber was sollen wir denn verkaufen?” Pandora: “Unsere Würde.”
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Apropos Kelly: Das ist jetzt schon die zweite Woche in Folge, in der Kelly Heelton knapp am Sieg vorbeigeschrappt ist. Die Daumen sind gedrückt, dass ein Sieg bald in greifbare Nähe kommt.
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Der Runway-Kommentar der Woche geht mal wieder an meine neue große Liebe Barbie Breakout, die zum Merkel-Runway anmerkt: “Wir haben uns von einer Frau inspirieren lassen, die mit Regenbogen-Farben eigentlich nur etwas anfangen kann, wenn sie in Form eines Hosenanzugs kommen.”
Du kannst “Drag Race Germany” ab sofort auf Paramount+ streamen.