Quentin Tarantino ist Vieles: Regisseur, Drehbuchautor, Besserwisser-Cineast – und, wie sich zeigt, auch Architekt eines filmischen Multiversums. Was auf den ersten Blick wie eine lose Sammlung stilisierter Gewaltmärchen wirkt, hängt bei genauerem Hinsehen doch irgendwie zusammen.
Seit Jahren kursiert unter Fans die Theorie eines „Tarantinoverse“, eines gemeinsamen Kosmos, in dem viele seiner Figuren und Geschichten miteinander verbunden sind. 2017 bestätigte der Regisseur schließlich selbst: Ja, dieser Kosmos existiert – und er besteht aus zwei Universen.
„There’s the realer than real universe, alright, and all the characters inhabit that one. But then there’s this movie universe. And so From Dusk Till Dawn, Kill Bill, they all take place in this special movie universe. So basically when the characters of Reservoir Dogs or Pulp Fiction, when they go to the movies, Kill Bill is what they go to see. From Dusk Till Dawn is what they see.” — Quentin Tarantino
1. Das „Realer than Real“-Universum
Die erste und zentralere Unversum innerhalb von Tarantinos Werk ist also das sogenannte Realer than Real World Universe. Hier gelten die Grundregeln unserer Welt – oder zumindest eine drastisch überspitzte Version davon. Gewalt ist real, Konsequenzen ebenfalls, auch wenn alles durch Tarantinos markanten Stilfilter läuft.
Verbindungen gibt es zahlreiche. So sind Vincent Vega aus Pulp Fiction und Mr. Blonde alias Vic Vega aus Reservoir Dogs Brüder. Alabama, die weibliche Hauptfigur aus True Romance, arbeitet nach dem Ende des Films offenbar mit Mr. White aus Reservoir Dogs zusammen – ein Hinweis, der im Originaldrehbuch zu finden ist. Red Apple Zigaretten und Big Kahuna Burger tauchen als fiktive Marken in mehreren Filmen auf und sind gewissermaßen popkultureller Kitt, der alles zusammenhält.
Filme dieses Universums:
- Reservoir Dogs (1992)
- True Romance (1993 – Tarantino schrieb das Drehbuch, übernahm aber nicht die Regie)
- Pulp Fiction (1994)
- Death Proof (2007)
- Inglourious Basterds (2009)
- Django Unchained (2012)
- The Hateful Eight (2015)
- Once Upon a Time in Hollywood (2019, teilweise – siehe unten)
Ein entscheidender Punkt: Tarantinos „realere“ Welt ist nicht unsere tatsächliche Geschichte. Inglourious Basterds etwa erzählt ein alternatives historisches Szenario, das wie ein dunkles Märchen funktioniert. Doch diese „historische Umformung“ bleibt innerhalb einer kohärenten Weltlogik, die sich durch alle Filme zieht.
2. Das „Movie Universe“
Und dann ist da noch das „Movie Universe“. Hier spielt sich ab, was Tarantinos Charaktere vermutlich selbst auf der Leinwand sehen würden – überzeichnet, stilisiert, teils übernatürlich. Hier regiert das Genre – Vampirhorror, Martial-Arts-Epen, Comic-Ästhetik. Die Regeln der Realität sind aufgehoben. Figuren sind oft wandelnde Archetypen, inspiriert von Italo-Western, Shaw-Brothers-Kino und Exploitationfilmen.
Tarantino beschreibt diese Filme als das, was seine „realeren“ Figuren selbst im Kino sehen würden. Sie sind die Popkulturprodukte innerhalb seiner Popkulturrealität.
Filme dieses Universums:
- Natural Born Killers (1994 – basierend auf einem Tarantino-Drehbuch, stark überarbeitet von Oliver Stone)
- From Dusk Till Dawn (1996 – Drehbuch & Nebenrolle Tarantino, Regie: Robert Rodriguez)
- Kill Bill Vol. 1 & 2 (2003/2004)
3. Zwischen den Universen: Once Upon a Time in Hollywood
Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und Cliff Booth (Brad Pitt) leben im „Realer Than Real“-Universum. Ihre Geschichte basiert auf historischen Ereignissen, wird aber durch fiktionale Elemente erweitert und verändert – wie so oft bei Tarantino. Doch der Unterschied ist: Dalton ist Schauspieler in einer Vielzahl fiktiver Serien und Filme, darunter Bounty Law und Operazione Dyn-O-Mite! – Werke, die wiederum dem „Movie“-Universum angehören.
Der Film verknüpft damit beide Universen ausdrücklich: Die Figuren leben real – aber ihre Filmografie gehört der stilisierten Sphäre an.
„Tarantinoverse“: Wie die Filme von Quentin Tarantino verbunden sind – und wo man sie streamen kann
Die untenstehende Liste enthält alle in diesem Artikel erwähnten Filme, geordnet in chronologischer Reihenfolge – und mit aktuellem Überblick, wo man sie im Abo, als Kauf- oder Leihoption streamen kann.