Ari Aster gilt als einer der stilprägenden Regisseure des zeitgenössischen Arthouse-Kinos. Seine Filme verknüpfen psychologischen Terror mit familiären Traumata, visueller Exzellenz und einer beinahe quälenden emotionalen Direktheit.
Asters Handschrift ist klar: Er baut Bilder von verstörender Schönheit, erzählt von Schmerz ohne Sentimentalität und zwingt sein Publikum, hinzusehen, wo andere längst abblenden.
Seit seinem Spielfilmdebüt Hereditary (2018) wird Aster als einer der wichtigsten neuen Stimmen im Horrorgenre gefeiert – obwohl er das Etikett „Horror“ selbst nie ganz gelten lassen wollte.
Neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Drehbuchautor wirkt Aster auch als Produzent, etwa bei dem animierten Kurzfilm The Bones (2021) oder Death of a Unicorn (2025), einem absurden Netflix-Projekt mit Paul Rudd. Im Fokus dieses Artikels steht jedoch sein Werk als Filmemacher, das bislang aus vier Langfilmen und mehreren bemerkenswerten Kurzfilmen besteht.
Hereditary (2018)
Asters Debütfilm beginnt als Familiendrama und endet in einem Höllentrip. Nach dem Tod ihrer Mutter versucht die Künstlerin Annie (brillant: Toni Collette), ihre zerrüttete Familie zusammenzuhalten. Doch mit jedem Tag häufen sich unerklärliche Ereignisse, alte Traumata brechen auf, und die Grenze zwischen psychischer Instabilität und übernatürlichem Horror verschwimmt. Aster inszeniert den Verfall dieser Familie mit einer Präzision, die schmerzhaft ist: Kein Blick ist zufällig, kein Schock umschifft. Hereditary ist allerdings kein Film des Jumpscare-Horrors, sondern einer der existenziellen Verzweiflung, der Unausweichlichkeit des Erbes. Die Katharsis bleibt aus – Asters Blick ist unbarmherzig. Ein Film, der in der Tradition von Polanski und Bergman steht, und dennoch unverkennbar Aster ist.
Midsommer (2019)
Was, wenn das Grauen grell ausgeleuchtet und in Blumengirlanden gehüllt ist? Midsommer verlegt den Schrecken in die skandinavische Sommersonne – eine Entscheidung, die dem Film seine eigentümliche Wirkung verleiht. Florence Pugh spielt die traumatisierte Dani, die mit ihrem emotional abgestumpften Partner und dessen komischen Freunden in eine abgelegene Kommune in Schweden reist. Was zunächst wie ein außergewöhnlicher Sommerausflug wirkt, entwickelt sich zum psychedelischen Albtraum. Aster vermischt Volksmythologie, Beziehungsdrama und rituellen Horror mit makaberer Ironie. Anders als in Hereditary entfaltet sich das Grauen hier langsam, schleichend – doch nicht minder brutal, und es trifft mit voller Wucht. Midsommer ist ein Horrorfilm ohne Dunkelheit – und genau darin liegt seine Unheimlichkeit.
Beau Is Afraid (2023)
Mit Beau Is Afraid schlägt Aster einen radikal anderen Ton an – oder besser: er überdreht seine bisherigen Motive ins Groteske. Joaquin Phoenix spielt Beau, einen neurotischen Mann, der auf eine absurde Odyssee geht, um zu seiner Mutter zu gelangen. Was folgt, ist ein dreistündiger Albtraumtrip durch Schuldgefühle, Kontrollverlust und infantile Anwandlungen. Der Film ist chaotisch, komisch, beklemmend und unfassbar persönlich – man spürt Asters Handschrift, aber sie ist diesmal in die Formen von Kafka, Charlie Kaufman und Freud gegossen. Beau Is Afraid spaltet das Publikum: Wer sich auf den Irrsinn einlässt, erlebt ein schonungsloses Porträt existenzieller Angst. Wer klassische Narrative sucht, wird verzweifeln. Asters dritter Film ist ein Kraftakt – kein Horrorfilm mehr, sondern eine surrealistische Psycho-Fabel. Ein Meisterwerk für manche, eine Überforderung für alle.
Eddington (2025)
Ari Asters vierter Spielfilm ist eine brillant-bösartige Abrechnung mit der Hysterie der Pandemiejahre – und der Film, der in der gesellschaftlichen Debatte um Corona eigentlich gefehlt hat. Eddington verpackt kollektive Angstzustände, Misstrauen und Kontrollverlust in eine grelle, stilisierte Groteske. Was als düsterer Western mit metaphysischem Einschlag angekündigt wurde, entpuppt sich als vielschichtige Satire auf eine Zeit der Überreaktionen. Aster teilt in alle Richtungen aus: gegen Verschwörungsgläubige ebenso wie gegen jene, die sich selbst als moralische Endinstanz inszenierten und mit überzogener Regelstrenge agierten. Joaquin Phoenix überzeugt als überforderter Sheriff, Emma Stone spielt seine zunehmend paranoide Ehefrau, Pedro Pascal gibt den aalglatten Bürgermeister eines Ortes, in dem soziale Medien jeden Konflikt weiter eskalieren lassen. Eddington ist Asters bislang politischster und gleichzeitig bissigster Film – eine düster-komische Reise durch ein kollektives Trauma, das niemand ganz unbeschadet überstanden hat.
Die frühen Kurzfilme: Kleine Studien der Grausamkeit
Bevor Ari Aster Spielfilme drehte, schockierte er mit provokanten Kurzfilmen – insbesondere mit The Strange Thing About the Johnsons (2011), einer Inzest-Geschichte, die das Tabu nicht umkreist, sondern frontal angeht. Schon hier zeigt sich Asters Gespür für familiäre Dynamiken, für das Unaussprechliche und die perfide Macht dessen, was verschwiegen wird. Weitere Kurzfilme wie Munchausen (2013), The Turtle’s Head (2014) und C’est la vie (2016) changieren zwischen schwarzer Komödie und tiefer Tragik. Die visuelle Handschrift – klare Bildkompositionen, langgehaltene Einstellungen, kontrollierte Farbgebung – ist bereits erkennbar. Asters Kurzfilme sind weniger Fingerübungen, als Studien über Abhängigkeit, Kontrolle und das Grauen hinter dem Alltäglichen. Wer verstehen will, wie Hereditary entstand, sollte hier anfangen.
Die Filme von Ari Aster im Streaming-Überblick: Zwischen Trauma, Terror und dem Tragisch-Komischen
Die untenstehende Liste zeigt, bei welchen Anbietern die Filme von Ari Aster derzeit im Abo, als Kauf- oder Leihoption verfügbar sind.