Queeres Kino ist längst mehr als Nischenkultur – es ist politisch, poetisch, wütend, zärtlich, kühn und filmisch aufregend. Gerade in den letzten zehn Jahren hat sich auf der Leinwand ein bemerkenswerter Wandel vollzogen: Die Geschichten queerer Figuren sind vielfältiger, differenzierter und ästhetisch anspruchsvoller geworden.
Zum Pride Month präsentieren wir eine kuratierte Auswahl von fünfzehn herausragenden LGBTQ-Filmen, die seit 2015 erschienen sind – mal überaus politisch oder radikal persönlich, mal emotional komplex und stilistisch brillant. Von stillen Liebesgeschichten bis zu lauten Selbstbehauptungen, von Europa über Afrika bis Lateinamerika reicht diese Liste, die queere Filmkunst in all ihrer Kraft feiert.
Hier kommen die 15 besten queeren Filme der letzten zehn Jahre – von Platz 15 bis Platz 1:
15. Rafiki (2018, Wanuri Kahiu)
Inmitten einer homophoben Gesellschaft erzählt Rafiki eine ebenso farbenfrohe wie widerständige Liebesgeschichte zweier junger Frauen in Nairobi. Regisseurin Wanuri Kahiu inszeniert das Aufblühen zwischen Kena und Ziki als bittersüßen Rausch aus Farbe, Musik und Hoffnung – und als mutige politische Geste in einem Land, in dem Homosexualität kriminalisiert ist. Das Verbot des Films in Kenia machte ihn zur internationalen Sensation und zum Symbol für queere Sichtbarkeit auf dem afrikanischen Kontinent. Dabei bleibt Rafiki stets persönlich, zärtlich und lebensbejahend – ein Film, der sich gegen Repression nicht nur mit Mut, sondern auch mit Schönheit wehrt.
14. Ungehorsam (2017, Sebastián Lelio)
In einer orthodox-jüdischen Gemeinde Londons treffen zwei Frauen aufeinander, deren gemeinsame Vergangenheit sie nie aufgearbeitet haben – und deren Anziehungskraft sofort wieder auflodert. Ungehorsam erzählt leise, aber eindringlich vom Konflikt zwischen persönlicher Freiheit und religiöser Bindung. Rachel Weisz und Rachel McAdams brillieren in dieser doppelten Charakterstudie, die nicht nur die Dynamik von Schuld und Begehren erkundet, sondern auch einfühlsam mit der Frage umgeht, wie sich Tradition und Selbstbestimmung überhaupt miteinander vereinbaren lassen. Ein ebenso sinnlicher wie trauriger Film über die Freiheit, anders zu leben – und zu lieben.
13. Blue Jean (2022, Georgia Oakley)
England, 1988: Das „Section 28“-Gesetz verbietet es Lehrer*innen, Homosexualität zu thematisieren. Blue Jean begleitet eine Sportlehrerin, die ihre sexuelle Identität geheim hält – bis eine neue Schülerin sie ungewollt zu einer folgenreichen Entscheidung zwingt. Georgia Oakley zeichnet ein präzises Bild vom inneren Spagat zwischen Anpassung und Auflehnung. Rosy McEwen als Jean trägt den Film mit stoischer Eleganz, während das toxische Klima erzkonservativer Moral Stück für Stück an die Oberfläche drängt. Die blauen Farbtöne, das kühle Licht und der zurückhaltende Score spiegeln perfekt die unterdrückte Anpannung. Ein stiller, aber kraftvoller Beitrag zum queeren Coming-of-Age-Kino.
12. Eine fantastische Frau (2017, Sebastián Lelio)
Als ihre große Liebe stirbt, gerät das Leben der trans Frau Marina aus den Fugen – und Eine fantastische Frau begleitet sie mit einer bewundernswerten Balance aus Realismus und Symbolkraft. Daniela Vega spielt Marina mit zurückhaltender Intensität und macht den Schmerz und den Stolz ihrer Figur greifbar. Der Film zeigt nicht nur die institutionalisierte Gewalt, mit der trans Personen in Chile konfrontiert sind, sondern auch die Widerstandskraft queerer Identität. Sebastián Lelio inszeniert eine Geschichte der Würde, die sich zwischen Alltagsrealismus und poetischen Ausbrüchen bewegt – und zurecht den Oscar für den besten internationalen Film gewann.
11. 120 BPM (Beats Per Minute) (2017, Robin Campillo)
Frankreich, Anfang der 90er: Die AIDS-Krise tobt, und eine Aktivist*innengruppe von „ACT UP“ kämpft mit Kreativität, Wut und Verzweiflung um Sichtbarkeit, Medikamente und Gerechtigkeit. 120 BPM ist politisches Kino, das nie belehrend wirkt – weil es ebenso stark von Lebenslust, Liebe und Solidarität erzählt wie von Tod und Krankheit. Die Kamera tanzt, kämpft, trauert – und zeigt eine queere Gemeinschaft, die nicht nur Opfer, sondern auch treibende Kraft gesellschaftlicher Veränderung ist. Besonders intensiv: die Liebesgeschichte zwischen Sean und Nathan, die das Private im Politischen verankert.
10. Joyland (2022, Saim Sadiq)
Eine Familie in Lahore, ein heimlicher Job in einer Burlesque-Tanzgruppe, ein langsames Erwachen: Joyland ist das erste pakistanische Drama, das queere Liebe in den Mittelpunkt stellt – und wurde dafür im eigenen Land heftig diskutiert. Der Film nähert sich seinem Thema mit großer Sensibilität und formaler Eleganz. Besonders bemerkenswert: die komplexe Darstellung der trans Frau Biba, gespielt von Alina Khan, mit Würde und Tiefe. Zwischen Genderrollen, gesellschaftlicher Kontrolle und persönlichem Aufbegehren gelingt Sadiq ein visuell faszinierender und emotional komplexer Film über die Kraft der Sehnsucht.
9. Große Freiheit (2021, Sebastian Meise)
In der Nachkriegszeit wird Hans immer wieder wegen seiner Homosexualität inhaftiert – Paragraf 175 lässt ihn zum Stammgast im Gefängnis werden. Große Freiheit erzählt diese Geschichte nicht als moralisches Lehrstück, sondern als tief humanes Drama über das Recht auf ein selbstbestimmtes Dasein. Franz Rogowski spielt Hans mit wortloser Verletzlichkeit, während Georg Friedrich als Zellengenosse Viktor eine ungewöhnliche Beziehung zu ihm entwickelt. Meise bleibt formal streng, aber emotional offen – und zeigt, wie unter widrigsten Umständen Nähe möglich wird. Ein Film über Liebe im Schatten der Repression, rau, traurig und auf stille Weise romantisch.
8. The Inspection (2022, Elegance Bratton)
Basierend auf eigenen Erfahrungen erzählt Regisseur Elegance Bratton von einem jungen, schwulen Schwarzen, der sich den US-Marines anschließt, um den Respekt seiner Mutter zu verdienen und der Obdachlosigkeit zu entkommen. The Inspection ist ein Film über Maskulinität, Ausgrenzung und Selbstbehauptung – und darüber, was es bedeutet, irgendwo dazugehören zu wollen. Jeremy Pope brilliert in der Hauptrolle als Ellis French, der trotz Drill, Homophobie und innerer Zweifel seinen Platz erkämpft. Der Film konfrontiert militärische Härte mit emotionaler Verletzlichkeit – und fragt, ob Anerkennung wirklich jeden Preis wert ist. Kraftvoll, persönlich, mutig.
7. Moonlight (2016, Barry Jenkins)
Moonlight ist ein poetisches Meisterwerk über drei Lebensphasen eines schwarzen Jungen, der in einem prekären Milieu aufwächst und seine sexuelle Identität entdeckt. Barry Jenkins verbindet visuelle Sinnlichkeit mit sozialer Schärfe – aus Licht, Wasser, Blicken und Schweigen entsteht eine filmische Sprache, die zutiefst berührt. Mahershala Ali, Trevante Rhodes und Alex Hibbert tragen das stille Drama mit unglaublich eindrücklicher Präsenz. Moonlight zeigt, wie queeres Begehren auch dort existiert, wo Sprache fehlt. Der erste queere Film, der den Oscar für den besten Film gewann – zurecht.
6. TÁR (2022, Todd Field)
Lydia Tár – gefeierte Dirigentin, ehrgeizig, lesbisch. Doch was passiert, wenn Macht in eitle Selbstverblendung kippt? TÁR ist kein klassischer queerer Film, aber ein radikaler Beitrag zur Darstellung queerer Figuren jenseits des Opferstatus: Es ist eine Errungenschaft, dass sie mittlerweile (wieder) alles sein können – auch unsympathisch, sogar problematisch. Cate Blanchett spielt die Titelrolle mit absoluter Furchtlosigkeit: als faszinierende, irritierende, kontrollsüchtige Figur im Spannungsfeld zwischen Geniekult, Missbrauchsvorwürfen und Identitätskonstruktion. Todd Fields Film ist kühl und komplex, ein psychologisches Puzzle voller Ambiguität. Dass Lydia queer ist, ist hier nicht zentrales Thema – sondern Teil einer größeren Frage: Wer besitzt Macht, und wie hoch ist ihr Preis?
5. Porträt einer jungen Frau in Flammen (2019, Céline Sciamma)
Eine Malerin, eine Braut, ein abgelegenes Haus an der Küste – daraus entfaltet Céline Sciamma ein leises, visuell berauschendes Drama über weibliches Begehren, Blickregime und künstlerische Autonomie. Porträt einer jungen Frau in Flammen ist formal streng und emotional überwältigend. Ohne männliche Figuren und mit einem genauen Gespür für Blickwechsel, Schweigen und unterdrückte Leidenschaft entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die lange nachglüht. Der Film stellt queere Liebe nicht zur Diskussion – er zelebriert sie, als subversiven Akt und als Möglichkeit zu größter Nähe. Ein Kinoereignis von hypnotischer Schönheit.
4. Queer (2025, Luca Guadagnino)
William S. Burroughs’ autobiografischer Roman galt lange als unverfilmbar – bis Luca Guadagnino das Unmögliche wagte. Queer ist ein fiebriges, schwüles Porträt eines amerikanischen Ex-Pats im Mexiko der 1950er, der eine Obsession für einen undurchschaubaren, jüngeren Mann entwickelt. Guadagnino verwandelt Burroughs’ Text in einen visuell beeindruckenden, melancholischen Rausch aus Begehren, Paranoia und Kontrollverlust. Daniel Craig brilliert in einer komplexen Hauptrolle, während der Film zwischen Abstoßung und Anziehung zu seiner Fingur changiert. Queer ist kein Wohlfühlfilm – sondern ein literarisch aufgeladenes, ästhetisch radikales Stück Kino, das die dunklen Seiten queeren Begehrens ausleuchtet.
3. Love Lies Bleeding (2024, Rose Glass)
Muskeln, Blut und Lust: Love Lies Bleeding ist ein stylisher, queerer Thriller über eine Bodybuilderin und ihre Liebhaberin, die gemeinsam in eine Spirale aus Gewalt und Begehren geraten. Rose Glass kombiniert Neo-Noir-Elemente mit queerem Empowerment und einem Schuss 80s-Ästhetik. Kristen Stewart liefert eine elektrisierende Performance zwischen Verlangen und Verzweiflung, während die Kamera Körper, Schweiß und Nähe in kühne Bilder gießt. Hier wird queere Liebe nicht romantisiert – sie ist gefährlich, exzessiv, absolut. Ein filmischer Trip, der visuell und emotional unter die Haut geht.
2. Call Me by Your Name (2017, Luca Guadagnino)
Der Sommer flirrt, das Licht ist weich, die Gefühle stark: Call Me by Your Name erzählt von der zarten Romanze zwischen dem 17-jährigen Elio und dem älteren Oliver – voller Spannung, Scham, Lust und Melancholie. Guadagnino fängt die Atmosphäre Norditaliens mit betörender Sinnlichkeit ein, während Timothée Chalamet und Armie Hammer eine glaubwürdige und tief berührende Beziehung entwickeln. Selten war eine Ode an das erste große Begehren so kraftvoll – ein Klassiker des queeren Kinos, mit bittersüßem Finale und einem der stärksten Abschlussmonologe der Filmgeschichte.
1. Carol (2015, Todd Haynes)
Todd Haynes' Meisterwerk über die Liebe zwischen zwei Frauen im Amerika der 1950er ist von seltener Eleganz. Cate Blanchett als mondäne Carol und Rooney Mara als schüchterne Therese durchleben ein Geflecht aus gesellschaftlicher Konvention, heimlichem Begehren und leiser Rebellion. Ihre Liebesgeschichte entwickelt sich in Blicken, Berührungen, in dem, was nicht gesagt wird. Die Kamera von Edward Lachman fängt durch beschlagene Fensterscheiben und in sanften Farben die Unsichtbarkeit queerer Liebe in einer feindlichen Welt ein. Haynes erzählt eine große Liebesgeschichte ohne Pathos, aber mit all der Gravitas, die solche Gefühle haben können. Ein moderner Klassiker – und der beste queere Film der letzten Dekade.
Streaming-Tipps zum Pride Month: Die 15 besten queeren Filme der letzten zehn Jahre
Die untenstehende Liste zeigt, bei welchen Streaming-Anbietern unsere 15 queeren Filmempfehlungen aktuell im Abo, als Kauf- oder Leihoption verfügbar sind. Happy Streaming – und happy Pride!